Letztendlich ist der Körper egal?

Die Kern-Aussage des Buchs Letztendlich sind wir dem Universum egal von David Levithan beschäftige mich lange: Können wir das Wesen eines Menschen lieben, unabhängig von dessen physischer Gestalt?

Auf den Geist muss man schauen. Denn was nützt ein schöner Körper, wenn in ihm nicht eine schöne Seele wohnt“, sagt Euripides. Nun ja, ganz so einfach ist es ja nun nicht. A, die Hauptfigur des Coming-of-Age-Romans, ist immer nur einen Tag lang im Körper einer fremden Person. Die Figur hat kein Geschlecht, kein Zuhause, keine Eltern. Dies stellt so lange kein sonderlich großes Problem für A dar, bis Rhiannon in seinem/ihrem Leben auftaucht. A verliebt sich und will Rhiannon wiedersehen, sucht also jeden Tag auf’s Neue Wege, um ihr zu begegnen und ihr schonend die Wahrheit über seine/ihre Existenz zu offenbaren.

Auch wenn Rhiannon theoretisch weiß, dass es A ist, der/die sich im Körper eines dürren Mädchens oder eines pickligen Jungen befindet, so scheint der Körper dennoch eine Hürde darzustellen. In ihrer Wunschvorstellung ist A der perfekte Charakter im Körper ihres vollpfostigen Freundes Justin.

Wie ausschlaggebend ist also die Hülle, die den schönen Geist umhüllt? Es ist nicht nur eine Frage der Ästhetik, sondern gleichermaßen auch die der Identität. Während der Leser versucht, A zu kategorisieren (männlich, weiblich, homo-/hetero-/bi-/transsexuell), begreift sich A als jemand, der in keine und gleichzeitig in alle Kategorien passt. Während Rhiannon zweifelt und versucht, A für sich (be-)greifbar zu machen, ist für A die Sache klar – er/sie will einfach nur Rhiannon, und zwar genauso, wie sie ist.

Es ist ein bisschen wie die Geschichte vom Fisch und Vogel, die sich zwar lieben, aber nirgends ein Nest bauen können. [Achtung, Spoiler!] Es führt letztendlich darauf hinaus, eine Entscheidung zu treffen, denn es scheint, als könne man nicht ewig zwischen zwei Welten leben. A entscheidet sich gegen das eigene und für das Glück Rhiannons. Ist es eine Andeutung darauf, dass die Zerrissenheit der eigenen Identität schließlich in der Einsamkeit endet?

Nun ist A, der keinen Körper besitzt, wohl eine Randerscheinung in der Literatur. Doch die Suche nach (sexueller) Identität geht meist mit der Entscheidung für oder gegen den eigenen Körper einher. Es ist ein ständiger Kampf zwischen Kopf und Herz, Geist und Körper, Wunsch und Realität. Wir können uns zwar „selbstoptimieren“, doch müssen wir mit dem arbeiten, was wir nun mal haben. Während A für einen Tag aussieht wie die kleine Schwester von Beyoncé, kann es an einem anderen Tag ein übergewichtiger Teenager sein. Ob gut oder schlecht, am nächsten Tag ist alles anders – die einzige Konstante ist der Geist.

Kann es dennoch aufrichtig sein, nur den Geist zu lieben, den man nicht physisch berühren, nicht küssen kann? Es bleibt ein Gedanken-Experiment.

 

 

 

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